Mehr Infos

Gleichstellung der Geschlechter

Seit 1981 ist die Gleichberechtigung von Mann und Frau in der Bundesverfassung festgeschrieben. Dieses Dossier zeigt auf, welche Themen unter dem Begriff Gleichstellung in der Politik diskutiert werden. 

Übersicht

  • Rechtliche Gleichstellung
  • Gleichstellung am Arbeitsplatz
  • Gleichstellung in der Familie
  • Aktuelle Debatten
  • Gewalt und sexualisierte Gewalt

Rechtliche Gleichstellung

In den letzten Jahrzehnten gab es in der Schweiz verschiedene Änderungen, welche die Gleichberechtigung zwischen Mann und Frau verbesserten: 

  • 1971 Stimm- und Wahlrecht auf nationaler Ebene

    Stimm- und Wahlrecht auf nationaler Ebene

    Ab diesem Zeitpunkt waren Frauen auch im National- und Ständerat vertreten. Aktuell sind rund 38.5 Prozent des Nationalrats und rund 37 Prozent des Ständerats weiblich (Nach den Wahlen 2023). 

    Dies ist der grösste Anteil an Frauen, der es je in die Bundesversammlung geschafft haben. Der Frauenanteil in beiden Räten ist über die Jahre relativ gleichmässig gestiegen

  • 1981 Gleichberechtigung in der Verfassung

    Die Gleichberechtigung wird in Art. 8 Abs. 3 in der Bundesverfassung festgeschrieben.

  • 1988 Gleichstellung im Eherecht

    Frauen und Männer werden beim Eherecht gleichgestellt, bis dahin war der Mann laut Gesetz das Familienoberhaupt und die Frau brauchte beispielsweise die Erlaubnis des Mannes, wenn sie arbeiten wollte. 

  • 1990 Stimm- und Wahlrecht im AI

    Der Kanton Appenzell Innerrhoden führt als letzter Kanton das Stimm- und Wahlrecht für Frauen auf kantonaler Ebene ein, allerdings auf Druck der Landesregierung. 

  • 1992 Vergewaltigung in der Ehe wird Strafbar

  • 1996 Gleichstellungsgesetz tritt in Kraft

  • 2005 Einführung des Mutterschaftsurlaubs

    Der Mutterschaftsurlaub wird eingeführt, Mütter haben nach der Geburt 14 Wochen bezahlten Mutterschaftsurlaub.

  • 2014 Gemeinsames Sorgerecht nach der Scheidung

    Nach einer Scheidung wird das gemeinsame Sorgerecht für die Kinder der Regelfall, bis dahin ging das Sorgerecht meist an die Mutter. 

  • 2021 Vaterschaftsurlaub

    Der zweiwöchige Vaterschaftsurlaub wird eingeführt.

  • 2023 Angleichung Rentenalter

    In der Schweiz gab es im Jahr 2023 eine Änderung des Rentenalters für Frauen. Zuvor war die Regelung, dass Männer bis zu ihrem 65. und Frauen bis zum 64. Altersjahr arbeiten müssen, bevor sie von der Altersvorsorge profitieren können und eine Rente erhalten. In der Volksabstimmung vom 25.09.2022 wurde das Rentenalter der Frauen auf 65 Jahre erhöht. Das bedeutet, dass Frauen und Männer neu im gleichen Alter aus dem Arbeitsmarkt aussteigen. 

  • 2024 Neues Sexualstrafrecht

Gleichstellung am Arbeitsplatz

Führungspositionen

In der Schweiz gibt es in einflussreichen Positionen und Führungspositionen weniger Frauen. In den letzten 15 Jahren waren jeweils rund 30 Prozent der Personen, die ein Unternehmen leiten Frauen. Unter allen Vorgesetzten machen Frauen rund 35 Prozent aus. Der Frauenanteil in diesen Positionen ist in den letzten 25 Jahren leicht (an)gestiegen.

Frauen sind ausserdem häufiger arbeitsnehmend ohne Vorgesetztenfunktion, wie in der Grafik ersichtlich wird.

Gründe für die ungleiche Verteilung

Dass es zu dieser ungleichen Verteilung kommt, hat unterschiedliche Gründe.
  • Frauen fallen aufgrund der Mutterschaft in der Arbeit aus;
  • Frauen arbeiten häufiger in einem Teilzeitpensum;
  • Rollenverständnis von Männern und Frauen in der Gesellschaft.
    • Beispielsweise war es traditionell so, dass Männer die finanzielle Verantwortung für die Familie trugen. Von Frauen hingegen wurde keine einflussreiche Position in der Arbeit erwartet, sondern dass sie für die Familie sorgen.

Lohnunterschied

Seit 1981 ist im Gesetz verankert, dass Frauen und Männer für gleichwertige Arbeit auch den gleichen Lohn erhalten sollen. 

Im Durchschnitt erhalten Frauen in der Schweiz jedoch 18 Prozent weniger Lohn als Männer. Je höher die berufliche Stellung, desto grösser ist der Lohnunterschied. 

Es wird unterschieden zwischen erklärbarem und unerklärtem Lohnunterschied. Der unerklärte Lohnunterschied macht im Durchschnitt 717 Franken (2020) pro Monat aus. 

Erklärbarer Lohnunterschied

Der erklärte Lohnunterschied macht rund 52 Prozent des gesamten Unterschieds aus. Erklärt wird der Lohnunterschied zum Beispiel durch die berufliche Stellung, die Anzahl Jahre im Arbeitsmarkt (also die Erfahrung) oder das Ausbildungsniveau.

Ebenfalls ist es so, dass es Berufe gibt, die vorwiegend von Frauen beziehungsweise Männern ausgeübt werden. Zum Beispiel gibt es im Pflegebereich mehr Frauen und in der Baubranche mehr Männer. Wenn diese Berufe dann überdurchschnittlich gut oder schlecht bezahlt sind, ergibt sich daraus auch eine Lohnungleichheit zwischen den Geschlechtern.

Ungeklärter Lohnunterschied

Der ungeklärte Lohnunterschied besteht aus allem, was nicht durch die berufliche Stellung, die Arbeitserfahrung, das Ausbildungsniveau oder die Art der Arbeit erklärt werden kann. Der ungeklärte Lohnunterschied macht 48 Prozent des Lohnunterschieds aus.

Höhe der Renten

Wie hoch die Rente ist, die pensionierte Personen erhalten, ist unterschiedlich. Es hängt davon ab, wie lange, zu wieviel Prozent und für welchen Lohn die Person gearbeitet hat. Die Unterschiede in den Renten sind somit auf Ungleichheiten im Arbeitsmarkt zurückzuführen. Informationen dazu, wie die Altersvorsoge in der Schweiz funktioniert, findest du hier.

In der Schweiz liegen die durchschnittlichen Rentenunterschiede zwischen den Geschlechtern bei 17`293 Franken pro Jahr (2021). Das bedeutet, dass Frauen im Durchschnitt 17`293 Franken pro Jahr weniger Rente erhalten. Es gibt allerdings spannende Unterscheidungen.

Unterschied in der AHV (1. Säule) 

Frauen erhalten 3.7 Prozent mehr AHV-Renten

Begründung: Es gibt mehr verwitwete Frauen, als Männer und dadurch erhalten Frauen oft eine Witwenrente, was zu diesem Unterschied führt.

Unterschied in der beruflichen Vorsorge (2. Säule):  

Männer erhalten 61.5 Prozent mehr Renten aus der beruflichen Vorsorge

Begründung: Frauen arbeiten häufiger Teilzeit oder unterbrechen die Erwerbstätigkeit häufiger, zum Beispiel aus familiären Gründen. Somit können sie weniger Beiträge für die berufliche Vorsorge zur Seite legen. Auch die Höhe des Lohnes beeinflusst die angesparten Beiträge und Lohnunterschiede zeigen sich damit auch in den Rentenunterschieden. 

Gleichstellung in der Familie 

Externe Kinderbetreuung

Kinderbetreuung kann sowohl innerhalb der Familie, mit einer externen Betreuung zu Hause oder in einer Vorschuleinrichtung oder Kita stattfinden. Vor allem die externe Kinderbetreuung (Kitas) wird häufig im Zusammenhang mit Gleichstellung diskutiert, da ein flexibles und bezahlbares Kita-Angebot als Chance gilt, dass beide Elternteile mehr im Arbeitsmarkt tätig sein können.

Rund 60 Prozent der Kinder unter 13 Jahren werden familienergänzend betreut (Jahr 2021). 35 Prozent davon besuchen die externe Kinderbetreuung in einer Kita, Tagesschule oder schulergänzenden Betreuung. 27 Prozent werden von den Grosseltern betreut und weitere zehn Prozent von anderen Personen aus dem Umfeld.

Mutterschafts- und Vaterschaftsurlaub

In der Schweiz gibt es seit 2005 einen gesetzlich garantierten Mutterschaftsurlaub von 14 Wochen. Seit 2021 sind auch zwei Wochen Vaterschaftsurlaub garantiert. Unternehmen können selbstständig oder in Gesamtarbeitsverträgen eigene Regeln bestimmen und so zusätzliche Mutter-, Vater- oder Elternzeit gewähren. 

Ausserdem gibt es einen Mutterschutz. Das bedeutet beispielsweise, dass Arbeitgebende Schwangere vor Gefährdungen am Arbeitsplatz schützen müssen oder Schwangere nicht mehr als neun Stunden am Tag arbeiten dürfen. 

Unbezahlte Arbeit

Unbezahlte Arbeit ist zum Beispiel Haus- oder Familienarbeit oder freiwilliges Engagement in Vereinen. Es gibt grosse Unterschiede zwischen der Art von unbezahlter Arbeit zwischen den Geschlechtern. 

Männer sind vermehrt in einem Verein oder einer Organisation engagiert, also in einem formellen Kontext, während Frauen mehr informelle Freiwilligenarbeit und Haus- und Familienarbeit übernehmen. Diese Unterschiede führen in der Politik häufig zu Diskussionen. 

Aktuelle Debatten

Militärdienstpflicht

In der Schweiz gibt es eine Militärdienstpflicht für Männer.  Wer keinen Militärdienst leistet, muss einen Zivildienst absolvieren oder eine Abgabe bezahlen. Frauen hingegen können freiwillig diesen Dienst leisten.

 

Momentan ist eine Initiative hängig, die einen Gemeinschaftsdienst einführen will. Dabei sollen alle jungen Menschen einen Einsatz zugunsten der Gesamtbevölkerung leisten. Das kann ein Dienst in der Armee, im Zivilschutz, im Zivildienst oder in einem anderen Milizbereich sein. Eine Motion mit einer ähnlichen Forderung wurde 2020 im Nationalrat diskutiert und abgelehnt.

Gleichstellung 2030

Im Jahr 2021 hat der Bundesrat eine nationale Gleichstellungsstrategie beschlossen. Diese behandelt vier Bereiche, wo die Gleichstellung verbessert werden soll: Berufliches und öffentliches Leben, Vereinbarkeit und Familie, Prävention von geschlechtsspezifischer Gewalt und Diskriminierung. An einer Konferenz im Jahr 2023 mit vielen politischen Akteur/-innen aus allen föderalen Ebenen (Bund, Kanton, Gemeinde) wurde über die Umsetzung der Strategie diskutiert. Verschiedene Massnahmen, die zur Gleichstellung beitragen sollen, wurden präsentiert. Beispielsweise ging es darum, die wirtschaftliche Unabhängigkeit von Frauen zu fördern. Ein Ziel dabei ist die Lohnunterschiede zwischen den Geschlechtern zu senken. Als konkrete Massnahme gibt es neu ein Tool, das hilft ein geschlechterneutrales Lohnsystem zu erarbeiten. 

Geschlechter im Gesetz

Im Schweizer Gesetz wird von Frauen und Männern ausgegangen und es ist bisher nicht vorgesehen, ein drittes Geschlecht einzuführen. Der Bundesrat hat sich aufgrund eines Vorstosses im Parlament geäussert und sieht die Voraussetzungen nicht erfüllt, um ein drittes Geschlecht einzuführen. (Quelle)

Elternzeit

Eine Elternzeit besteht auf nationaler Ebene nicht. In einigen Kantonen wurde die Elternzeit an der Urne angenommen oder abgelehnt. Am 18.06.2023 wurde z. B. in Genf eine Volksabstimmung angenommen, die 24 Wochen Elternzeit fordert. 

Sprache

In der Gleichstellungsdebatte wird auch das Thema Sprache diskutiert. Der Bund hat dazu einen Leitfaden erstellt. Dabei orientiert er sich am Sprachengesetz. Dieses verpflichtet die Bundesbehörden "sich um eine sachgerechte, klare und bürgerfreundliche Sprache zu bemühen und auf geschlechtergerechte Formulierungen zu achten." Der Bund empfiehlt im Leitfaden, dass entweder das Geschlecht unsichtbar gemacht wird oder sowohl die weibliche als auch die männliche Form verwendet werden. 

  • Beispiel: der Präsident oder die Präsidentin, die Bürgerinnen und Bürger
  • Beispiel: die Jugendlichen, die Studierenden, die Angestellten

Die Parteien nützen teils noch andere Arten der geschlechtergerechten Sprache. Beispielsweise wird ein Stern oder Doppelpunkt verwendet, um nicht binäre Menschen in der Sprache zu integrieren. Andere hingegen benutzen die männliche Form und schliessen in diese die Frauen ein

Als neutrale Organisation ist es hier immer wieder schwierig, die unterschiedlichen Auffassungen zu berücksichtigen. 

Gewalt und sexualisierte Gewalt 

Sexualstrafrecht und sexualisierte Gewalt

Das Sexualstrafrecht spielt in der politischen Gleichstellungsdebatte immer wieder eine Rolle, weil gewisse Inhalte das sich ändernde Verhältnis zwischen den Geschlechtern widerspiegeln. 

Beispielsweise wurde 1992 die Vergewaltigung in der Ehe strafbar. Grössere Anpassungen wurden im Jahr 2023 vom Parlament bestimmt. Das Parlament hat das Sexualstrafrecht einer Revision unterzogen. Das neue Gesetz wird am 01.07.2024 in Kraft treten. 

Änderungen im neuen Gesetz

Neu ist es eine Vergewaltigung, wenn gegen den Willen des Opfers eine sexuelle Handlung vorgenommen wird, die mit Eindringen verbunden ist. Somit ist eine Vergewaltigung weiter gefasst als nur die vaginale Penetration und auch bei Menschen ohne Vagina möglich. 

„Nein heisst Nein“: Es braucht keine Nötigung mehr, damit der Tatbestand der Vergewaltigung erfüllt wird. Auch wenn das Opfer in einen Schockzustand fällt, gilt dies als Ablehnung.

Neu gibt es auch den Straftatbestand des „sexuellen Übergriffs“. Das ist eine sexuelle Handlung gegen den Willen einer Person, die nicht mit Eindringen verbunden ist. 

Weiter wurden auch Punkte zu Mindeststrafmass, Verjährbarkeit und Pornografie geändert.

Häusliche Gewalt

Auch in der Schweiz ist häusliche Gewalt und Gewalt in Paarbeziehungen ein verbreitetes Phänomen. Die Opfer sind mit deutlicher Mehrheit Frauen. Meistens handelt es sich um Tätlichkeiten, Drohungen, Beschimpfungen oder einfache Körperverletzungen. Es werden aber auch jedes Jahr Menschen durch häusliche Gewalt getötet.

Zahlen (2022)
  • 19'978 Straftaten im häuslichen Bereich
  • 70 Prozent der Straftaten im häuslichen Bereich wurden an Frauen ausgeübt
  • 25 Tötungsdelikte im häuslichen Bereich

Istanbul Konvention

Die Istanbul-Konvention ist ein Übereinkommen des Europarates, das die Schweiz unterzeichnet hat und seit 2018 in Kraft ist. Das Ziel des Übereinkommens ist die Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt. Zur Umsetzung des Übereinkommens hat der Bundesrat einen nationalen Aktionsplan verabschiedet. Die wichtigsten Themen darin sind die Information und Sensibilisierung der Bevölkerung, Aus- und Weiterbildung von Fachpersonen und ehrenamtlich Tätigen sowie Prävention und Bekämpfung von sexualisierter Gewalt.